Braunschweig braucht eine 5. IGS
Die Eltern wissen es längst, eine bessere Bildung und ein längeres gemeinsames Lernen bringt ihren Kindern und deren Zukunft mehr als das selektive dreigliedrige, längst überholte Schulsystem.
Schon jetzt stimmt man mit den Füßen ab, versucht seine Kinder bei einer IGS anzumelden. Dies ist schwierig, vor allem, weil die Regierungskoalition partout auf dem alten dreigliedrigen Modell bestanden und das Entstehen von Gesamtschulen erst vehement zu vereiteln suchte, später dann auch die Hürden zur Einrichtung von integrierten Gesamtschulen (IGS) sehr hoch gelegt hat.
Schon jetzt schwärmt die niedersächsische Landesregierung von ihrem neuen merkwürdigen Konstrukt "Oberschule". Und die Braunschweiger CDU plappert es, wie immer, munter und kritiklos nach. Die FDP will die Oberschule sogar besonders fördern, was ja nur bedeutet - weiter so mit dem alten Bildungssystem! Gerade die FDP scheint ja einer Eliten- und Klientelförderung besonders interessiert.
www.newsclick.de/index.jsp/menuid/10195179/artid/13170051
Es wird hier also sehr auf die SPD ankommen, ob das CDU-/FDP-Modell "Oberschule" so durchgehen wird. Zwar hat sich die SPD ausbedungen, daß mit ihr keine Oberschule zu machen wäre, wenn die IGS dieser nicht gleich gestellt würde, aber wenn man die Zielvorgaben der CDU aktuell liest, dann steht da eher, daß eine gleichgestellte Förderung von Gesamtschulen eher nicht vorgesehen ist. Was will die SPD nun tun? Etwa wieder einknicken?
Laut diesem Artikel sieht es ganz danach aus.
www.newsclick.de/index.jsp/menuid/10195179/artid/13166398/compact/title/Ticker/true
Deutschland: Undurchlässigstes Schul- und Bildungssystem
Dabei ist längst erwiesen, daß gerade Deutschland in seinen Schul- und Bildungssystemen eines der undurchlässigsten im Vergleich zu anderen europäischen Nachbarstaaten ist. Dies hat nun eine weitere Studie erwiesen. Es wird allmählich immer schwerer für CDU und FDP ihre Eliteprogramme weiter zu fahren.
Studie der Heinrich-Böll-Stiftung
www.boell.de/wirtschaftsoziales/wirtschaft-soziales-studie-soziale-mobilitaet-deutschland-10410.html
Die Studie spricht in ihrem Resümee von einer "zementierten" Gesellschaft in Deutschland. Der Schluß, der aus diesem starren gesellschaftlichen Konstrukt zu ziehen ist, klingt absurd. Was kann einer Regierung daran gelegen sein, ihre Bevölkerung in so genannte "Bildungskasten" zu schulen, wo es kaum Durchlässigkeit gibt?
Kann man einer volksvertretenden Regierung quasi Elitenbildung unterstellen? Ist es Absicht, mehrheitliche Teile der Bevölkerung in Sonderschulen - hier Grundschule und Realschule gemeint - und den weitaus kleineren Anteil für die Elite bereit zu halten? Das das Nachteile bringt, wie wir schon jetzt an der vernachlässigten Fachkräfteausbildung sehen, liegt auf der Hand.
Was wäre aber der Vorteil, den sich die Regierung davon versprechen könnte?
Gilt hier die alte These, "Dumm regiert sich gut"? Hat man politisch bereits gegen die Globalisierung und dem zunehmenden Arbeitsplatzverlust resigniert und hofft so, für die wenigen kostbaren Arbeitsplätze der Zukunft nur die Elitekinder einzusetzen, wobei der große Rest im Niedrigstlohnsektor gerade mal dahin vegetieren wird?
Die Studie besagt: Um Karriere zu machen, kommt es in Deutschland vor allem auf die Herkunft an. Selbst das klassenbewusste England ist durchlässiger.
Die meisten Deutschen aber glauben immer noch an den Aufstieg: In Umfragen geben 70 bis 80 Prozent der Bundesbürger an, dass Deutschland eine "offene Gesellschaft" sei, in der die Karriere nicht mehr vom Elternhaus abhänge, sondern von den eigenen Fähigkeiten und dem erreichten Bildungsabschluss. Das war einmal.
Tatsächlich findet echter Aufstieg eher selten statt.
Weniger als ein Prozent der Kinder aus ungelernten Arbeiterhaushalten schaffen es, selbst zum leitenden Angestellten aufzusteigen. Dagegen werden zwei Drittel der Kinder aus einer leitenden Angestelltenfamilie selbst leitende oder hochqualifizierte Angestellte.
Leistung allein reicht nicht, um Karriere zu machen
In Deutschland lohnt sich Leistung eher nicht mehr, wichtiger ist die soziale Herkunft.
Dass das in Schweden, Dänemark, Norwegen, auch in Frankreich und Spanien besser ist, wissen wir seit langem.
Im europäischen Vergleich zeigt sich dabei, dass der Aufstieg überall einfacher ist als in Deutschland: In Schweden etwa ist der Einfluss des Elternhauses um rund 30 Prozent schwächer ausgeprägt. Selbst im klassenbewussten Großbritannien ist die Herkunft um 15 Prozent weniger wichtig als in Deutschland.
Zwar haben seit den Nachkriegsjahren viele haben tatsächlich eine bessere berufliche Position als ihre Eltern erreicht, aber wenn man bedenkt, daß damals allein der Aufbau der zerstörten Infrastruktur ein Mehr an gut ausgebildeten Fachkräften und in den 60er Jahren sogar ein Anwerben ausländischer Arbeitskräfte notwendig geworden ist, um die Arbeit zu stemmen, dann ist klar, weshalb man auch den Aufstieg mittels Leistung schaffen konnte.
Das ist heute anders. Heute müssen mehr Ideen her, um die Aufgaben der Zukunft zu lösen, statt reine Aufbauleistung. Da wir hauptsächlich vom Exportgeschäft leben, weil die Politik dafür die Weichen gestellt hat, ist im Binnenmarkt wenig los. Das bedeutet für uns Deutsche vor Ort, daß wir mit anderen Ländern konkurrieren müssen. Deutschland kann aber hier nur mit Bildung, technischem Know-How, Wissenschaft und Forschung glänzen und Vorreiter sein, nicht mit Billiglöhnen und Lohnaufstockung. Daher müsste mehr Bildung ran, kein starres Schulsystem und schon gar nicht dessen Beibehalt.
Allein schon deshalb sind Gesamtschulen mit ihrer individuellen als auch gemeinschaftlich sozialen Miteinander, wo Talente als auch Teamfähigkeit in praktischeren (nicht nur theoretischen) Lernerfahrungen und -inhalten dem neu etikettierten Modell "Oberschule" vorzuziehen. Mit der aktuell von der Regierung gepriesenen Oberschule werden nur die zwei alten Systeme Hauptschule und Realschule unter einem neuen Namen zusammen getrieben. Am Inhalt ändert sich nichts. Man ahmt die IGS nur darin nach, daß man vorgibt, eine Ganztags"Betreuung" zu installieren, die es zuvor bei Grundschulen und Realschulen nicht gab.
Betreuung? Betreuung kann alles mögliche sein. Auch hier kommt es nicht aufs Etikett an, sondern auf die Inhalte. Was in der IGS mittels pädagogisch fundierten Kräften auch in der Nachmittagsbetreuung vermittelt wird, ist keineswegs nur ein warmes Essen und danach etwas Bastelkram von Hobbypädagogen. Es hat ein gesamtpädagogisches Konzept und das fehlt dem merkwürdigen Oberschulen-Etikett der CDU/FDP-Koalition.
Deshalb eine 5. IGS in Braunschweig, die Schüler warten darauf, die Eltern wünschen es und die Wartelisten belegen es.