Offenbar: Verbraucher wollen lieber krankes Pferdefleisch essen?!
Wir haben einen neuen Skandal. Aber weniger, weil uns eine Kette geldgieriger Unternehmen gesundheitsbedenkliches Pferde- statt Schweine- oder Rindfleisch unterjubelte, sondern generell, weil man immer salopp behauptet: Wir, die Verbraucher seien daran alleine selbst schuld.
Lasst uns nicht nur Ross, sondern auch Reiter nennen
Nun,
sie haben einen Verdächtigen für den Pferdefleischskandal identifiziert
: Es ist der holländische
Jan Fasen. Dieser sah seine Chance unten in Rumänien (wo ja unsere meiste Biokost herkommt, weil noch unverfälscht blühende Landschaften), wo er Pferdewirte ausmachte und sie dazu bewog, ihre Rösser zu schlachten. Das übrigens medikamentenangereicherte Fleisch verkaufte der fliegende Holländer dann nach Frankreich, was ja weiter nicht schlimm ist, denn in Frankreich ist es ganz üblich, Pferdefleisch zu essen. Es gibt dort unzählige Pferdemetzgereien, ganz normal also. Problematisch: Das mit Medikamenten durchsetzte Fleisch kann beim Menschen Darmblutungen auslösen.
Allerdings hat Fasen das Pferdefleisch in Frankreich als Rindfleisch "umetikettieren" und dann in der Weiterverarbeitung wohl in die Lasagne umfüllen lassen.
Jan Fasens Unternehmen, die "Draap Trading Ltd" ist eine - aus steuerparadiesischen Gründen - auf Cypern registrierte Firma, mit Sitz in Antwerpen/Belgien, wird zudem aus den ebenfalls steuerparadiesischen britischen Jungfrauinseln gesteuert.
Und - man staune - der Eigentümer ist Anfang letzten Jahres schonmal wegen Pferdefleisch-als-Rindfleisch-Labelns verknackt worden. So neu ist der angebliche Skandal dann also doch nicht!
Tiefkühl-Lasagne von Skandalfirma lagert in Verden
Jetzt kommt die französische
Firma Comigel
ins Spiel. Diese haben wohl die Umverpackung übernommen. Das zeigt, beide Firmen waren da wohl involviert, wussten also Bescheid. Deren Tiefkühl-Lasagne lagert auch in Niedersachsen.
Das Unternehmen
Nordfrost in Verden hatte Produkte "einer Firma aus Nordrhein-Westfalen" (die deutschen Medien trauen sich kaum, Ross & Reiter zu benennen, wie man sieht), die mit den Produkten beliefert wurde, im Lager. Die Ware wurde inzwischen von den Behörden gesperrt. Proben aus Untersuchungen werden derzeit in NRW untersucht.
Das Kühlhaus sei aber nicht komplett gesperrt worden, stellte der Niederlassungsleiter von Nordfrost auf dapd-Anfrage am Donnerstag klar. "Das läuft hier alles seinen normalen Gang", sagte er. Bereits vergangene Woche seien die Produkte von Kundenseite gesperrt worden, am Donnerstag - die Behörden waren auch hier irgendwie zögerlich - schließlich auch von den Behörden. Insgesamt lagern in dem Kühlhaus nach Angaben des Niederlassungsleiters Produkte von 30 verschiedenen Kunden.
Pferdefleisch bei EDEKA und REAL
Lasagne-Packungen von zwei französischen Herstellern (Comigel?) waren aufgefallen, weil sie Pferde- statt des ausgewiesenen Rindfleischs enthielten. Am Mittwoch war erstmals auch in Deutschland nicht deklariertes Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne der Supermarktkette Real nachgewiesen worden.
Von REAL wissen wir ja bereits, dass auch die schon mal Gammelfleisch umetikettieren. Hatten wir fast schon vergessen, was?
Das Unternehmen rief das Nudelgericht "TiP Lasagne Bolognese, 400 g, tiefgekühlt" daraufhin zurück. Am Donnerstag fand auch Edeka in der Tiefkühl-Lasagne seiner Eigenmarke "Gut & Günstig" nach eigenen Angaben "geringe Mengen Pferdefleisch".
Das ganze klingt wie - ich kann mir einfach nicht helfen - Fleischmafia!
Es wirkt so, als hätte man sich bereits vor Jahren geeinigt, dass man um jeden kleinen Marktanteil kämpft bis zur Müllverarbeitung zu "günstig"-Lebensmitteln. Dies war das Huhn, das immer vor dem Ei da war. Nicht der Verbraucher hat sich das gewünscht, erdacht oder ausbaldowert, nein, die Unternehmen tun so etwas, eben um Marktvorteile zu gewinnen. Denn der Billigste wird natürlich beachtet, weil man davon ausgeht, dass unsere staatlichen Institutionen da auch genau hingucken, weil wir doch dafür angeblich so strenge Regeln haben und so...
Genau deshalb kaufen wir dann preisgünstigere oder billigere Angebote. Wir denken, Müll, Gesundheitsschädliches, Verdorbenes, falsch Deklariertes, Schummelware und dgl. käme bei uns gar nicht über die Ladentheke noch ins Lager.
Aber wer so eine Ministerin wie Aigner hat, der lehnt dann Ampelsysteme für gute Lebensmittel oder Kontrollen eher ab, dezimiert Kontrolleure und predigt "freiwillige Selbstkontrolle". Diese hat nun nachweislich am schlechtesten funktioniert.
Rosstäuscher unter sich - Staat mischt da mit
Fazit: Wir wurden getäuscht, nicht nur von den Falschetikettierern oder der Fleischmafia, sondern vor allem von unseren angeblich so streng kontrollierenden Politik und Behörden. Letzteres ist der eigentliche Skandal...
findet
Ulensp!egel
Niedersachsens Verbraucherschutzminister fordert bessere Überprüfung
Als Reaktion auf den Pferdefleisch-Skandal forderte der designierte niedersächsische Verbraucherschutzminister Christian Meyer (Grüne) eine bessere Überprüfung von Fleischlieferungen. "Wir brauchen dringend europaweit verstärkte Kontrollen, um den internationalen Handel mit Fleischprodukten besser in den Griff zu bekommen", sagte der Grünen-Politiker der Zeitung "Die Welt" (Freitagausgabe). Darauf werde er künftig auf Bundes- und Europaebene dringen.
t-online