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Kultur der Privaten fürs Volk

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13 Jahre 1 Woche her #4445 von Helmhut
Macht man uns den Berlusconi?
Kultur der Privaten fürs Volk


Wolfsburg - Der Auftakt der "Movimentos Festwochen" in Wolfsburg soll am Dienstag nach Ostern beginnen. Angeboten werden Lesungen und Theater (mit Schauspielern!) und Tanz. Hä? Movimentos klingt nach mehr, international mag man da denken und so ist dieses fremdartige Sprachkonstrukt auch gedacht - als internationaler Anstrich. "Movement" heißt ja Bewegung. Bewegung ist auch Tanz und Musik, deshalb kam das Festival zu seinem fremd klingenden Namen.

Mit dabei das Braunschweiger Staatstheater, das von diesem VW-gesponsertem Prestige- und PR-Projekt gewiss vielleicht irgendwie vermutlich profitieren wird und dem Mäzen gehörig unter die Arme greift. Eine Win-Win-Situation für alle? Für VW auf jeden Fall.

Diese so hochgepreiste Kultur-Initiative ging aber gar nicht von der Stadt Wolfsburg, auch nicht von Braunschweig oder gar vom Land aus. Die Provinzstädte und die Politik bilden nur die Staffage. Auch wenn Wolfsburgs und Braunschweigs Theater mit von der Partie sind, Veranstalter ist und bleibt die "Autostadt", hier die "Kommunikationsplattform" von VW. "Kommunikationsplattform" klingt auch entschieden besser als Reklame.

DIE dürfen das!

Während der Mäzen VW sich in Braunschweig gestattete, Querums Forst abholzen zu lassen, nutzt der "grüne" Kunstförderer während des Movimentos-Projektes seinen herrlichen werkseigenen Park. Man möchte ja schließlich die künstlerischen Attraktionen nicht in einer baumstumpfbestandenen Wüste Querums oder aber am asphaltierten Flughafen präsentieren. Kunst braucht dann doch einen attraktiveren Rahmen. So tourt das Braunschweiger Staatstheaterensemble hilfreich gen Nachbarstadt, um dort den Ruhm des Regionalmäzens zu mehren. Braunschweig tanzt da eher mit in einer untergeordneten Rolle.

Am Veranstaltungsort befindet sich daher nicht von ungefähr ein VW-Automuseum und ein Programm, dass das Abholen eines neuen Volkswagens zu einem Erlebnis machen soll: "Um die Kunden zu binden", wie betont wird. Die "Movimentos Festwochen", die Kunst und das Gedöns sind da eigentlich nur Beiwerk. Es geht am Ende ja ums Geschäft, nicht um Kultur oder Wohltaten fürs Volk, auch wenn man Volkswagen heißt.

Es soll während dieses Verkaufs-Kulturfestivals nicht nur das Produkt vermarktet werden, die Firma soll auch als Wohltäter in Erscheinung treten. Das ist auch bitter nötig, wird dem Konzern das gegrünte Image schon längst nicht mehr abgenommen und in Sachen Waldzerstörung hat sich VW auch in Braunschweig einen eher fragwürdigen Namen zu machen gewusst. Das alles soll nun etwas Geld und ein paar Tänzchen ändern. Und wer denkt nach so viel Tanz und Musike noch an Waldzerstörung, die hausgemachten Affären oder VW-Manager Peter Hartz, der Erfinder der Hartz-Gesetze? Was kümmert uns unser Kommunikationsplatt in Form des Geschwätzes von gestern?

Braunschweig moved mit

Die Produktion der Show soll nicht nur in Wolfsburg gezeigt, sondern dann auch nebenbei im Staatstheater Braunschweig.
"Dass sich die Bühne einbinden lässt, erscheint als Akt der Resignation. Denn es wäre doch die Aufgabe öffentlicher Körperschaften oder des Theaters, eine solche Initiative zu starten, wie es die Movimentos Festwochen getan haben." schreibt die [url=http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/volkswagen-macht-den-berlusconi/
]taz[/url].



Resignation gegenüber privaten Mäzenen, die es in der Hand haben, wem sie denn einen kleinen Teil ihres Mammom, wem sie Kultur und Bildung zukommen lassen wollen. Da muss Braunschweig sich eben bewegen, nach der Autostadt moven, eben mitspielen.

VW geht's gut, warum dem Lande schlecht?

Volkswagen hat, wie die Braunschweiger Zeitung und andere regionale Medien propagierten, gerade ein Rekordergebnis eingefahren. Jubel in allen Blättern. Das Land Niedersachsen aber steht finanziell nicht so gut da, man spart sich kommunal soziale, ordnungspolitische als auch kulturelle Projekte. Dies geschieht auch zunehmend in Braunschweig. Wieso geht es VW so außerordentlich gut und dem Land, den Städten und Kommunen so schlecht? Haben unsere Politiker so schlecht gewirtschaftet? Böse Zungen behaupten, es läge auch daran, dass eher nachteilige Politik zu ungunsten der Bürger und zugunsten gerade jener Konzerne betrieben würde, wie unlängst bei der Laufzeitverlängerung. Und so habe man mit der Flughafenerweiterung am Flughafen Wolfsburg-Braunschweig eine weitere "Laufzeitverlängerung" für Konzerne, aber gegen Umwelt und Bürgerinteressen entschieden. Noch bösere Zungen sprechen von der Berlusconisierung ganzer Regionen, die goldenen Kälbern huldigen und ihre staatlichen Befugnisse freiwillig unterordnen. Na ja, Bunga-Bunga ist es noch nicht, aber Bordell-Affären hatten wir hierzulande ebenfalls schon. Die Muster scheinen ähnlich.

Disney-Land in Volkswagenhand?

Die VW-Kommunikationsplattform hingegen hat andere Sorgen, sie muss ihr Image bessern, schnell eine heile Welt hinzimmern unter Mitnahme von provinziellen Kleinbühnen, die vom Glanz des Mäzen auch etwas abbekommen und in den Fokus rücken wollen. So benennt VW die Stadt Wolfsburg gleich in "Autostadt" um, verschafft sich in Braunschweig Start- und Landebequemlichkeiten, treibt niedliche Käferchen durch noch grüne, existierende Regenwälderkulissen und nun auch in der Autostadt eine Art "Disney-Land" in einer hauseigenen. künstlichen Parklandschaft.

Konsum-Bildungsinitiativen à la Niedersachsen

Das Ganze zieht weitere Kreise, nicht nur innerhalb kultureller Veranstaltungen, sondern zunehmend zieht auch Autostadt-, Bertelsmann-Verlags- und Sparkassen-Bildung in unseren Schulen ein. Hier werden die zukünftigen Kunden gebildet.
bildungsklick.de/pm/24637/christian-wulff-in-bildungspezial/

Selbstverständlich wird auch hier die Stadt Braunschweig im höchsten Maße bereitwilligst mitmischen, der dortige Oberbürgermeister möchte ja zügig die Schulen privatisieren, wie bereits mehrfach angekündigt.



Auch im Bereich "Umwelt" ist Kultur- und Bildungsmäzen VW für uns tätig. Hat er sich beim regionalen Braunschweiger Nabu bereits mit reichlich Fuhrpark eingekauft. Da schaut auch der Nabu nicht so genau hin, ob die gestellten Kfz so klimafreundlich sind. Denn VW weiß ja, wie Klima und Natur zu schützen sind.

Weshalb denn in die Nähe schweifen... ?

Das Festival ist ja auch praktisch ganz nah und eine Attraktion ohnegleichen. Dann können wir Braunschweiger mit unseren Kindern, statt den eigenen Restwald zu besuchen, öfter mal ins Wolfsburg'sche Disney-Land und in den Konzernpark fahren - selbstverständlich in einem VW-Produkt. Um den Klimaschutz können sich dann ja unsere Autostadtgebildeten Kinder kümmern.

Gruß
Helmhut

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