Kriegserklärung
Konzerne klagen gegen Volksentscheid
Von Jörn Boewe
Alle Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe stehen und zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern geschlossen worden sind, sind (...) vorbehaltlos offenzulegen.« 666000 Berliner stimmten am 13. Februar 2011 für diesen Text und machten ihn damit zum Gesetz. Dagegen klagen nun die Konzerne RWE und Veolia vor dem Bundesverfassungsgericht.
Ein gutes Jahrzehnt nachdem CDU und SPD 49,9 Prozent der kommunalen Wasserwerke an ein privates Konsortium verkauft hatten, zogen die Hauptstädter mit ihrem Volksentscheid die Konsequenz aus ihren Erfahrungen mit der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge. Natürlich hatten ihnen die Strippenzieher des Deals seinerzeit versprochen, daß die Privaten die Wasserversorgung besser und billiger sichern könnten. Und natürlich lief es wie bei den meisten Privatisierungen: Die Dienstleistung wurde zwar nicht besser, aber teurer: Nach drei Jahren schossen die Wasserpreise nach oben und mit ihnen die Gewinne von RWE und Veolia. Seit 2004, dem ersten Jahr, in dem sie laut Kaufvertrag die Preise anheben durften, fiel die Eigenkapitalrendite der privaten »Wasserpartner« nicht mehr unter neun Prozent, drei Jahre später waren es 13 – nach ihren eigenen Zahlen.
Damit die Konzerne kein unternehmerisches Risiko tragen mußten, hatte ihnen der Berliner Senat eine Renditegarantie gegeben: Mindestens zwei Prozent über den Zinssätzen langfristiger Bundesanleihen – darunter müssen sie sich nicht zufriedengeben. Notfalls werden die Gewinne der Investoren aus dem öffentlichen Haushalt gezahlt. So steht es in den Verträgen, aber wenn es nach dem Willen von RWE, Veolia und sämtlicher Berliner Senate seit 1999 gegangen wäre, wüßten die Berliner überhaupt nichts davon.
»Das einzige, was ich Ihnen zeigen darf, ist die Präambel«, teilte mir der zuständige Beamte der Senatsverwaltung für Finanzen im Mai 2005 zu meinem Antrag auf Akteneinsicht mit. Immerhin: Das war die erste amtliche Bestätigung, daß es sich überhaupt um einen Geheimvertrag handelte. Selbst das war lange bestritten worden, genau wie später noch jahrelang die Existenz der Renditegarantie als Phantasieprodukt verbiesterter Privatisierungsgegner hingestellt wurde. Vor drei Jahren, am 21. März 2009, veröffentlichte dann die junge Welt als erste Zeitung die zentralen Teile des Abkommens.
Möglich war dies nur, weil es über all die Jahre selbst in der Verwaltung und den Wasserbetrieben Beamte und Angestellte mit Zivilcourage gab, die die Ausplünderung des Gemeinwesens nicht hinnehmen wollten. Die Wahrheit kam ans Licht, weil ein paar Leute bereit waren, dafür auch etwas zu riskieren. Ohne ihren Mut und die Hartnäckigkeit einer Handvoll Privatisierungsgegner, die über Jahre aufklärten, argumentierten und organisierten, würden uns der Berliner Senat und seine »Wasserpartner« heute immer noch mit der Präambel abspeisen. Es handelt sich dabei um eine DIN-A4-Seite.
www.jungewelt.de/2012/03-14/014.php
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