Ideen statt Her(beige)zogenes
Irgendwie ist all die Hinwendung zu Herrschaftszeiten und Her(ge)zogenem ein echtes Armutszeugnis.
Was aber sind die Ursachen dieses Revisionismus?
Und steht Braunschweig allein dafür?
Oder gibt es da andere Gründe und hat weniger mit dem Interesse der Braunschweiger Bürgerinnen und Bürger für diese Adelsverehrung zu tun?
Vielleicht muss man nur die dahinter liegenden Absichten deutlich enttarnen, um klar zu machen, wo Braunschweig steht oder für was zukünftig unsere Stadt stehen möchte?
Wer drängelt uns auf Her(beige)zogenes?
Wer also steckt bei den vergangenen wie auch neu geplanten Aktionen, die uns und die Gäste unserer Stadt auf Revisionistisches und vermeintlich typisch Braunschweiger Traditionen hindränge(l)n wollen?
Auch ein Luisen-Bildnis:
1912 - auf den Namen "Viktoria Luise" getaufter riesiger Lippenstift? - Nein, der Zeppelin LZ 11 der Deutschen Luftschiffahrtsaktiengesellschaft.
Ziehen wir Resümee. Das begann mit der Zerstörung eines von der Öffentlichkeit mehr oder minder genutzten ehemaligen Parks (Schlosspark), an einem ehemals bestehenden Herrscher-Residenz (Schloss) genannt, das zweimal aufgrund von ziemlich bürgerfernem Verhalten zerstört wurde (Brand, Bombennacht). Der dazugehörige Adel wurde vom Volk davon gejagt, musste abdanken.
Dann vorgesehener (Schloss-)Wiederaufbau, aber nicht so richtig, weil man ja eigentlich kein Geld für so etwas heutzutage mehr übrig hat. Ein Drei-Fassaden-Stück mit Kaufkraft - lächerlich für echte Adelsfans und profan für Historiker. Also nichts Echtes!
Als Krönung des Kaufhauses: Aufbringung einer Göttin samt Fuhrwerk - größte Europas! Welchen Göttern dient Braunschweig? Dem Konsumgott?
Dann das Otto4-Jahr - Wiederbeatmung einer halb vergessenen kaiserlichen Leich' - garniert mit historisch unwahren Histörchen - weltweit zerrissen und verlacht.
1899: Großer geschützter Kreuzer S.M.S. Victoria Luise
Und nun geplant - die auf den ersten Blick recht harmlos anmutende Hochzeitsfeier des Ex-Herzogspaars Ernst August3 und Viktoria Luise, der alten Tochter des deutschen Kriegskaisers Wilhelm2, deren Kurz-Regentschaft überaus schnell abgebrochen werden musste (Abdankungsurkunde), weil dem Volk erneut der Bedarf an Adelskulten gründlich vergangen war.
Zu Ehren des Militärs und Wiederbelebung der Wehrmacht: Luise besucht 1962 die Panzerdivision
1962 - Militärshow Panzerdivision - schon damals fanden Proteste gegen solche miliTanten und Demos für den Frieden statt
Luise soll meschugge geworden sein, ihr Sohn Ernst August4 hat versucht, sie sogar entmündigen zu lassen. Welch' ein Vorbild, diese Familie! Nur die Riddagshausener Kaffeetanten haben für Luischen eine Art Exil (Luisenschutzgebiet) eingerichtet, um die alternde Herzogin vor den rechtlichen Schritten des Herzöglings zu schützen. Das zeigt doch, welch' schrulliger, gar nicht edler Familie wir hier nachtrauern s/wollen.
Was will man uns und den Gästen Braunschweigs hier als nächstes auftischen? Den Deutschen Heinrich?
Bei allen aufgeführten "Aufführungen" stehen der Oberbürgermeister (CDU), der Stadthistoriker Borek3 und die Kings vom Stadtmarketing für diese Aufzüge. Flankiert wird das Ganze von den CDU-Parteimitgliedern. Im Hintergrund agieren auch sicher viele, die hier gewiss lieber ungenannt bleiben wollen. Schon peinlich, wenn man fanastischer Adelsanhimmler ist, aber jeden Tag moderner und demokratisch denkender Kundschaft gegenüber steht.
Bundesweiter Trend
Wer genau hinschaut, kann jedoch erkennen. Braunschweigs Führung das ihr dienliche Marketing steht nicht allein mit solchen Attitüden. So was ist bereits Bundestrend. In den Systemmedien steigt uns der Alte Fritz entgegen, der ja gerade 300. Geburtstag feiern soll. Gerne hätte man den irren Kaiser Willem (Wilhelm2) genommen, der aber gilt ja (noch) als Kriegstreiber und eben - irre! Deshalb soll der deutsche Michel den preußischen Fritz feiern und "preußische Tugenden" entwickeln. Von wem wurde das initiert? Antwort: Bundesregierungspartei CDU.
Zuvor hat uns die CDU "Werte-" und "Leitbilddebatte" beschert, so als hätten wir Bürger da Nachhilfe nötig und nicht die wulffende Regierungsbank selbst. Dann kam in direktem Bezug zu "Terror - Islamismus" die Debatte nach "abendländisch-christlich-jüdischer" Kultur auf, der unser Deutschland unterstehe. Und deshalb hat Braunschweig auch seinen Otto ausgekramt. Der soll ja quasi der erste EU'ler und die abendländisch-christlich-jüdische Kultur erfunden haben. Braunschweig passt sich also demzufolge nur an, besser gesagt, die provinzielle Union folgt dem Bundestrend, Revisionistisches auszupacken und dem Volk als Anspruch, Leitmotiv und Vorbild hinzustellen.
Aktuelles Beispiel: Flankiert wird der Revisionismus auch auf Landesebene
Frau Wanka wirbt für Adel
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Aktuelles Beispiel Wilhemshaven:
Ohne Kaiser keine Kunsthalle:
Mit einer Jubiläumsschau blickt die Wilhelmshavener Kunsthalle auf ihre Geschichte zurück und ehrt Kaiser Friedrich Wilhelm II. «Zwischen Kaiseranspruch und Secession: Der Verein, die Stadt und ihre Kunstsammlung» heißt die Ausstellung des Vereins der Kunstfreunde «Sie wirft ein Schlaglicht auf die Pionierzeit des Sammelns im hohen Norden», sagte Direktorin Viola Weigel am Donnerstag. Gezeigt werden Werke von Paul Baum, Walter Leistikow, Otto Modersohn und Johann-Georg Siehl-Freystett. Mit fast 13 000 Reichsmark hatte Kaiser Friedrich Wilhelm II. im Jahr 1912 den Bau der Kunsthalle gesichert." (dpa-Meldung vom 09.02.2012)
Da kann einer ein ganzes Reich in Schutt und Asche "sichern", wenn er aber einmal in Kunstwerke investiert hat, dann gebührt im immerwährende Ehrung über den irdischen Tod hinaus. Hurra, wir wollen unsern ollen Kaiser Willem wieder ham! Aber wird das nicht allmählich nicht doch sehr peinlich? Offenbar nicht, man macht munter weiter, denkt sogar, das Volk wäre so "alternativlos", dass es sich geadelte Merkwürden zum Vorbild an die Backe knöpfen ließe. War nicht schon mal das Romantisieren Ursache für doch - sagen wir mal - sehr sehr Eng-Nationales und damit später UnHeil?
Unweigerlich abwärts
Weshalb also diese revisionistischen Bemühungen unserer Führungskaste? Was bezweckt sie damit? Anbetung, Anerkennung per Titel? < Fällt vielleicht gerade schwer wegen Wulff?!
Oder Obrigkeitstreue bis in den Tod? < Möglich, weil gerade die Kriegsteilnahme unseres deutschen Vaterlandes mehr und mehr auf der Agenda steht.
Ist unser Land und die verantwortlichen Führungspolitik schon so degeneriert, dass sie nicht mehr weiß, wie sie uns zu mehr Loyalität, zu mehr Zusammenhalt oder Identität bringen kann?
Der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson meint JA!
Der Westen degeneriert, die Machtkoordinaten verschieben sich. Nur durch Rückbesinnung aufs kulturelle Erbe kann sein Niedergang noch aufgehalten werden
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Ferguson ist denn auch überzeugt, dass Europa und der Westen nur dann infolge der Globalisierung mit Indien, Asien dem "Reich der Mitte" auf Dauer werden mithalten können, wenn sie sich wieder auf ihre "Werte" und "Institutionen" besinnen.
Wo bleiben Wirtschaftskompetenz, Wettbewerb, Rechtssicherheit, Arbeitsethik und Qualitätsarbeit?
Ferguson meint aber mit "Werten" hier eher eine gewisse echt und einst mal vorhanden gewesene Wirtschaftskompetenz, Wettbewerbsfähigkeit, Rechtssicherheit, Arbeitsethik (und die hat ja in Deutschland sehr sehr nachgelassen!) und die Herstellung besserer Produkte.
"Die wirkliche Bedrohung", schreibt er mehrmals, geht "nicht von anderen Zivilisationen" aus, von China oder vom Islamismus, sondern von unserer "Unkenntnis der Geschichte", "unserem eigenen Kleinmut" und unserem "verlorenen Glauben an die Zivilisation, die wir von unseren Vorfahren ererbt haben".
Aber ist dieses nachahmungswerte Erbe denn in Her(ge)zoglichem oder Doktortiteln zu finden? Ist es nicht eher in bürgerlichem Engagement, in unternehmerischen Leistungen, deutschem Erfindergeist, der Zuverlässigkeit, der Genauigkeit vieler zu finden?
Satt, dekadent und ohne Ideen
Der Untergang zeichnet sich - historisch betrachtet - durch folgendes ab: "Man ruhte sich auf dem Erreichten aus und zeigte sich obendrein auch noch innovationsfeindlich und veränderungsunwillig". Ja, so sieht es aus. Man kann ja heutzutage sehr einfach quasi aus Nichts Geld machen, ohne Anstrengung oder Ideen. Man wettet nur (=Spekulaton) und schon gewinnt man Geld, Macht, Anerkennung.
Neuerdings wettet man sogar auf Todesfälle
. Die Finanz regiert, nicht die Wirtschaft und das entseelt uns. Ob wir diese Beseeltheit durch Adels-Anbetung zurück erhalten?
Ferguson: "Für Europa höchst unerfreulich und für seine vormalige Vorherrschaft überaus alarmierend ist zudem, dass Reiche, Imperien oder Zivilisationen auch rasch wieder kollabieren können...
Solche Erosions- und Zerfallsprozesse treten in aller Regel ein, wenn der Glaube an die eigene Funktionstüchtigkeit verloren geht. Auslöser für derartige Zusammenbrüche waren in der Vergangenheit stets verlorene Kriege und Finanzkrisen, Staatspleiten oder innovationsfeindliche Lebensstile..."
Und genauer besehen, haben uns gerade diese Geadelten in verlorene Kriege, Finanzkrisen, Staatspleiten geführt. Auch selbst waren sie eher reaktionär, konservierten überkommene Standesdünkel und lebten uns oft selbst innovationsfeindliche Lebensstile vor. Sollen das also Vorbilder für uns sein, um die zukünftigen Herausforderungen der Globalisierung und der Lösungsfindung unserer Energiefragen zu meistern?
Wie arm an Ideen ist doch unsere Führungsriege - bundes-, landesweit und lokal.
Wie arm an Ideen ist Braunschweig?
Hier waren doch mal Innovation und Einfallsreichtum vorhanden und sind es mit Sicherheit noch, wieso wird das nicht öffentlich?
Lassen sich die Innovativen, Ideenreichen hier etwa die Reklame aus der Hand der OBeren gefallen? Lässt man sich aus dem Rathaus Historie etwa (vor)schreiben?
Braunschweig, krieg' den Hintern hoch!
Bürger an die Ideen!
Gruß
Helmhut