Politische Wetterlage - jedes Jahr ein Jahrhundert-Winter
BRAUNSCHWEIG (dpo) - "Still und starr ruht der See", so erklingt es idyllisch in einem winterlichen Weihnachtslied. Doch in Braunschweig ruht derzeit vor allem der Räum-, Winter- und Streudienst des Privatunternehmers Alba, die von der Braunschweiger Stadtverwaltung beauftragt wurde, als Vertretung zur Erfüllung der städtischen Pflicht zur Freihaltung der Verkehrswege zu wirken. Zweifelsfrei kann das nur an den immer höher werdenden Schneegebirgen auf der Straße (nicht direkt vor der eigenen Haustüre) liegen.
K + S, die Streusalzproduzenten haben Hochkonjunktur, weil infolge der Streusalzknappheit und damit der erhöhten Nachfrage deren Aktien steigen. Die Winterkrise hat also auch ihre Gewinner.
Aber nicht nur K + S gehören zur Gewinnergruppe. Auch die Stadt Braunschweig und ihre Bürger gewinnen durch diese zunehmende Privatisierung von städtischen Aufgaben, spart sich doch die Stadt das Schneeschaufeln, Räumen und Enteisen in dem sie fremde Firmen und die eigenen Bürger beauftragt, die die Pflichten viel viel billiger übernehmen können, als es die Stadtverwaltung angeblich leisten kann.
So hat das überaus günstige Angebot von Alba damals die Stadtväter so überzeugen können, dass damit quasi alle Probleme vom Tisch waren, ein Vertrag geschlossen wurde, in dem Alba diese und andere wichtige Aufgaben wie Müllentsorgung, Containerabfuhr und auch der Winterdienst übertragen wurde. Weshalb also klappt es dennoch nicht so gut mit den auferlegten Verpflichtungen?
Die Jahrhundert-Winter-Einführung
Auf Nachfrage unserer Redaktion gab die Stadtverwaltung zur Antwort, dass vor allem die neuen Winter mit immenser Brutalität über unsere Stadt und das Umland herfallen und mit solchen Schneemassen aufwarten, dass eine flächendeckende Räumung gar nicht mehr möglich sei. Unterstützt wird diese These von einer bundesweiten Wettermacher-Kampagne, die derzeit die Medien beherrscht. Auch Braunschweigs Lokalblatt weiß darüber zu berichten. Um den Braunschweigern das herrschende Schnee-Chaos zu verzuckern, berichtet man einesteils, dass es in anderen Städten ähnlich zugehe, wie in der eigenen Stadt, andererseits freut man sich über Tourismuszuwachs in den Harzer Skiregionen. Da kommt Geld in die Kassen, also zählen die Braunschweiger irgendwie auch zu den Gewinnern.
"Dieser Winter ist so streng, die Schneemassen so überwältigend," so lautet es in Kreisen der Stadtverwaltung als auch bei der beauftragten Firma Alba, "dass wir sie kaum noch mit eigenen Mitteln bewältigen können. Unsere Mittel sind nahezu erschöpft angesichts dieses Jahrhundert-Winters!"
Historisch: Zugefrorene Oker im Jahrhundertwinter 2010/2011
Belege gibt genug für die Jahrhundertwintertheorie. Der Kohlmarkt - völlig vereist, dort kann man sogar Schlittschuh fahren derzeit. Der Müllenniumberg sei infolge der Schneefälle zum höchsten Berg des Braunschweiger Landes erwachsen. Man erörtere gerade, ihn touristisch als Braunschweiger Skigebiet zu erschließen, nach dem im Sommer das mit dem Weinbau nicht so viel Anklang gefunden habe. Die Oker sei erstmals so zugefroren, wie das aktuelle Foto zeigt, dass dies einem Jahrhundertwintereinfall gleich käme.
"Auch in anderen Städten herrscht das gleiche Schneechaos, also können weder Stadtverwaltung noch ALBA für das Braunschweiger Chaos verantwortlich gemacht werden", verteidigen sich die Verantwortlichen aus Rathaus und zuständiger Firma.
Winterliches Privatvergnügen
Auf ein paar kritische Stimmen, man könne sich teilweise noch sehr gut an die viel härteren Winter vor 20 oder 30 Jahren ohne solche Ausfälle erinnern und der zunehmende Mangel an Dienstleistungen aus privater Hand, könne mitunter das Chaos verursacht haben, geht jedoch der Braunschweiger Oberbürgermeister wie folgt nicht ein: "Man solle dem Ganzen doch auch etwas Positives abgewinnen können", so der Braunschweiger Oberbürgermeister. "Auch in anderen Städten, die ihre Winterdienste in private Hand gegeben haben, treten hier doch die gleichen Probleme auf, also läge es nicht an der Privatisierung an sich. Privatisierung steigere übrigens doch momentan sogar die Binnenkonjunktur."
Er wies auf den aktuell sehr guten Umsatz beim Einzelhandel hin, weil die Leute nicht vor Braunschweigs Tore gelangen und darum nicht woanders einkaufen könnten. Auch Reisen sei derzeit eingeschränkt, so dass die Leute ihre Weihnachtsfeiertage ganz nach deutschem Brauchtum zuhause in den eigenen vier Wänden verbringen könnten. Die Privatisierung des Winter- und Räumdienstes und der Abbau von städtischem Personal sei eine gute Entscheidung gewesen, denn sie erspare der Stadt unnötige Kosten. Das ersparte Geld könne nun sinnvoll irgendwo anders eingesetzt werden, z.B. zur Unterhaltung der weitläufigen Räume im tollen Schlosse, das Braunschweig sich geleistet habe. Irgendwie hat er damit Recht, denn für den Quadriga-Fuhrpark obenauf muss ja nicht extra geräumt werden.
Von staatlicher Bevormundung und Schnee selbst befreien
Für andere Plätze und Straßen seien deshalb nun vermehrt die Bürger aufgerufen, ihre Straßen mehr und mehr selbst zu räumen. Man solle nicht erwarten, dass allein die Stadt initiativ werden müsse. Man solle selbst mündig werden und entscheiden lernen, dass jetzt jedermann gefragt sei, der Schneemassen Herr zu werden. Da man in Braunschweig das Ehrenamt ohnehin besonders schätze, könne es für den Braunschweiger doch ein Anreiz sein, die Ärmel aufzukrempeln und anderen Städten zu zeigen, wie engagiert man in unserer Stadt mit solchen Jahrhundertkatastrophen umgehe, wie sehr es auf privates Engagement heutzutage doch ankäme. Er selbst will demnächst als Privatsierungsbefürworter allen Bürger vorangehen und die Schaufel zum Schneeräumen vor dem Rathaus schwingen. Die Presse wird gute Bilder haben, wenn sie denn dahin kommt.
Weiß wie man eine Schaufel in die Hand nimmt - der Braunschweiger Oberbürgermeister (Foto: eintracht.com)
"Lassen sie uns lieber gegen diese kommenden Jahrhundertwinter energisch einschreiten, statt gegen Privatisierung, liebe Mitbürger" lautet die Empfehlung an die Braunschweiger Bürger und Bürgerinnen.