Wehe, wenn die Tür zugeht -
was spielt sich eigentlich in Deutschlands Inhaftierungszellen ab?
Wenn man erst einmal inhaftiert und unter Polizeigewahrsam ist, ist das schon schlimm genug. Aber nicht genug, dann scheint man hierzulande der dritten Gewalt ziemlich willkürlich ausgesetzt zu sein - und das auch oft mit Zustimmung der Politik
Von Deutschland reden wir, nicht von Diktaturen!
Ein Fall aus dem hessischen Butzbach kam nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wie peinlich und wie bedenklich, dass es einen Zug durch sämtliche gerichtliche Instanzen brauchte, um einem deutschen Staatsbürger zu seinem Recht zu verhelfen.
Bundesregierung muss Entschädigung zahlen
wegen unmenschlicher Hafthaltung
Die Bundesrepublik Deutschland muss nun einem Strafgefangenen wegen unmenschlicher Behandlung 10.000 Euro zahlen. So urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Aus den Akten ergab sich nämlich, dass der Inhaftierte eine ganze Woche lang in der Zelle ohne Kleidung auskommen musste. Als ihn nach drei Tagen der Gefängnispfarrer besuchte, war der Gefangene jedenfalls unbekleidet. Auffällig, dass dies erst aus den Akten hervorging, weder gab die involvierte Polizei die tagelange fehlende Bekleidung des Inhaftierten an, noch wusste der so Behandelte über seine Rechte Bescheid. Erst der Gerichtshof recherchierte und fand zu dieser unmenschlichen Behandlung Belege.
Nackte Tatsachen und völlig "üblich"
Die beschuldigte Bundesregierung verteidigte sich und teilte dem Gerichtshof mit, dass "die Unterbringung in solchen Zellen grundsätzlich ohne Kleidung erfolge - wenn mit Selbstverletzungen zu rechnen sei". Dieser Einwand erwies sich als unhaltbar. Der Gerichtshof konnte keine Suizid- oder Selbstverletzungsgefahr ermitteln und sah im Falle des Betroffenen eine unmenschliche Behandlung seitens der Polizeibehörde.
Wie sich die Handlungen ähneln
Die hessische Polizei gab an, der Gefangene habe sich "renitent" gezeigt, als er sich wehrte, in eine andere Zelle verlagert zu werden, darum kam es zu Gewalteinsatz seitens der Polizei. Quasi habe der Gefangene angefangen. Deshalb habe man ihn seiner Kleidung entledigt. Geschlagen wurde also auch er, dann entkleidet und dann in eine Einzelzelle gesperrt. Das kennen wir bereits. Es klingt weniger nach zufälliger Ereignisfolge, dafür mehr nach Dienstanweisung, wenn man die häufigen Vorfälle als auch die Art des Verlaufs betrachtet.
"Der Entzug von Kleidung könne Gefühle der Angst und Minderwertigkeit auslösen". Selbst wenn ein Suizid oder eine Selbstverletzung im Raum gestanden hätte, hätte reißfeste Kleidung völlig ausgereicht. (
taz
)
So hat man den Betroffenen eine Woche völlig nackt in der Zelle gehalten. Das klingt nach Viehhaltung und ist einfach unmenschlich. Man mag kaum glauben, dass hier von der Bundesrepublik Deutschland die Rede ist.
Angst, Ohnmacht, Minderwertigkeitgefühle beabsichtigt?
Auch im Braunschweiger Gruselkeller deuten die Bilder der bizarren Wandgalerie, die auch dann wie selbstverständlich bei einer Besichtigung von Besuchergruppen an der Wand prangen, auf eine höchst zweifelhafte Haltung und Art zum Umgang mit den Menschenrechten hin. Auch diese bedrohlichen fein säuberlich eingerahmten Drohszenarien
sollen ja gerade laut Angaben der Vollzugsbeamten abschrecken und Angst machen. Sollen Besucher und Insassen gleichermaßen ängstigen. Wer dies so offen ausspricht, der nimmt also nicht nur Angst sondern auch Gefühle von Ohnmacht gegen den Staatsapparat als auch Minderwertigkeitsgefühle voll in Kauf.
Was würde wohl der Europäische Gerichtshof zu den aktuellen Vorkommnissen in Braunschweigs Gruselkeller sagen, was zu den frauenfeindlichen Bemerkungen gegenüber Cécile Lecomte und was zu dem malträtierten jungen Mann, den man ebenfalls erst einmal nackt sehen wollte, ohne Begründung?
Als Antwort einfach "Blödsinn!" sagen - wie sich Polizei"sprecher" Grande auszudrücken versuchte, würde sich der Gerichtshof mit Sicherheit nicht erlauben können.
Frau Mundvoll