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Totenkopf-Husaren in Roselies: Pardon wurde nicht gegeben

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9 Jahre 8 Monate her - 9 Jahre 8 Monate her #10006 von bruno
Vor einem Monat schrieb ich hier zu Beginn dieses Threads, man solle schon genauer hinschauen, wovor man sich verneigt und vor allem wäre es wichtig, ein Augenmerk auf die Aktivitäten der Traditionsvereine und des Pastors und Heimatpflegers Jünke zu werfen
siehe www.braunschweig-online.com/bibs-forum/48-artikel-der-startseite/9972-totenkopf-husaren-in-roselies-pardon-wurde-nicht-gegeben.html#9973 .

Jetzt reagiert Herr Jünke und behauptet im aktuellen Gemeindebrief, "ein bekannter Ratsherr unserer Stadt" werfe ihm vor, "den Namen Roselies eisern verteidigt" zu haben und wolle ihn (Jünke) "deshalb unter Beobachtung stellen".

Naja, Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung, und, dass bruno ein bekannter Ratsherr ist, schmeichelt dem natürlich B)
- aber Herr Pastor, man soll doch immer bei der Wahrheit bleiben, oder?

Dann also, was wahr ist:

Erstens habe ich nicht geschrieben, Herr Jünke (oder jemand anderes) solle unter Beobachtung gestellt werden und

zweitens war die Information, Herr Jünke verteidige den Namen Roselies eisern, ein Zitat seiner selbst, wie er das vor einigen Jahren im Gemeindebrief Nr.2/2010 exakt so bekundet hat.

Und nun zu Herrn Jünkes inhaltlicher Verteidigung, im neuen Gemeindebrief schreibt er u.a.:

"Mit meinem Festhalten am Namen Roselies für eine Straße wollte und will ich - wie schon gesagt - nur an eine ehemalige topographische Situation erinnern.
Wenn der Name überdies auch dazu beiträgt, den Schrecken des Krieges von 1914 wach zu halten und dazu führt, durch Gedenken Frieden zu bewahren und zu befördern, dann ist auch ein evtl. belasteter Name akzeptabel. In diesem Sinne will ich ihn auch immer erklären, so, wie ich das bis jetzt auch stets getan habe."
(Gemeindebrief 4/2014)


Kam nun der Anstoß zur Hinterfragung von Roselies und EhrenhaiN von Herrn Jünke?

Egal - Wichtig ist seine Zusicherung, nun die Wahrheit um Roselies versuchen zu wollen.
Letzte Änderung: 9 Jahre 8 Monate her von bruno.

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9 Jahre 8 Monate her - 9 Jahre 8 Monate her #10014 von klartext
bruno schrieb:

Und nun zu Herrn Jünkes inhaltlicher Verteidigung, im neuen Gemeindebrief schreibt er u.a.:

"Mit meinem Festhalten am Namen Roselies für eine Straße wollte und will ich - wie schon gesagt - nur an eine ehemalige topographische Situation erinnern.
Wenn der Name überdies auch dazu beiträgt, den Schrecken des Krieges von 1914 wach zu halten und dazu führt, durch Gedenken Frieden zu bewahren und zu befördern, dann ist auch ein evtl. belasteter Name akzeptabel. In diesem Sinne will ich ihn auch immer erklären, so, wie ich das bis jetzt auch stets getan habe."
(Gemeindebrief 4/2014)


Kam nun der Anstoß zur Hinterfragung von Roselies und EhrenhaiN von Herrn Jünke?

Egal - Wichtig ist seine Zusicherung, nun die Wahrheit um Roselies versuchen zu wollen.


Nun mal im KLARTEXT zu den immer bedrückenderen Hintergründen von Roselies.

Für den Heimatpleger UND Pastor wäre es doch naheliegend, wenn Herr Jünke die Erschießung seines Berufskollegen Jos. Pollart durch herzögliche Truppen am 23.8.1914 in Roselies erklären könnte.
Letzte Änderung: 9 Jahre 8 Monate her von klartext.

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9 Jahre 8 Monate her #10015 von Heiner
Wollen wir diese Debatte nicht daraufhin konzentrieren, wo sie fruchtbar sein kann?

Als Pastor kann man Kriegsgräuel natürlich nicht erklären, sondern ist auf "Gottes unerforschlichen Ratschluss" angewiesen. Pastoren aller Nationen haben die Waffen ihrer jeweiligen Landsleute in den Kriegen bekanntlich gesegnet.
Als örtlich zuständiger Heimatpfleger hätte Herr Jünke sich allerdings schon ein wenig intensiver über den Ursprung des Namens "Roselies" informieren und ihn hinterfragen müssen. Gerade weil er ihn dann offenbar ohne Hintergrundinformationen nur aus historischen -aber nicht hinterfragten- und topographischen Gründen "eisern" verteidigt hat.
Es zeigt sich jedoch nun als ein Weg die Möglichkeit, den Namen eben nicht wegen der historischen Schrecknisse zu löschen, sondern ihn genau deswegen zu erhalten und im Rahmen einer Städtepartnerschaft ab jetzt und in Zukunft eine Erinnerungskultur zu pflegen. Eine Chance für Braunschweig und auch eine Chance für Herrn Jünke, einiges nachzuholen!
Auch etliche Baudenkmäler der Nazizeit stehen z.B. unter Denkmalschutz. Das kann sowohl als störend empfunden werden, aber auch Diskussionen anregen.

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9 Jahre 8 Monate her - 9 Jahre 8 Monate her #10016 von Rosenbaum
Heiner schrieb:

Es zeigt sich jedoch nun als ein Weg die Möglichkeit, den Namen eben nicht wegen der historischen Schrecknisse zu löschen, sondern ihn genau deswegen zu erhalten und im Rahmen einer Städtepartnerschaft ab jetzt und in Zukunft eine Erinnerungskultur zu pflegen. Eine Chance für Braunschweig und auch eine Chance für Herrn Jünke, einiges nachzuholen!


So sehe ich das auch und das war der Tenor meines
Flanderninfo - Interviews

Wegen der schlimmen Verbrechen ist der Name "Roselies" für Braunschweig eine Verpflichtung und Chance zugleich.

Das erfordert aber, nicht länger die Fakten zu leugnen oder zu relativieren, sondern sich endlich zur Schuld zu bekennen.

In diesem so kleinen Doppel-Städtchen Roselies und Tamines ist es genau das, was sich die Nachfahren der Ermordeten von uns erhoffen.

Es hat uns tief berührt, wieviele Menschen am vergangenen Freitag und Samstag in langen Trauermärschen mit Fackeln bis tief in den Abend z.B. den letzten Gang ihrer Vorfahren nachgegangen sind, oder bis heute ihren exekutierten Pfarrer Joseph Pollart ehren

auch wenn sie vielleicht nicht mehr so religiös sein mögen, wie vor hundert Jahren



Unüberschaubar, wie ein Meer an Köpfen harrten die Menschen in Roselies und Tamines bis spät in die Nacht am 22.8. aus,

und hörten - wie so oft in den letzten hundert Jahren - vom Leid Ihrer Vorfahren und verarbeiteten auf diese Weise über die Generationen hinweg ihre eigenen Erinnerungen.
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Letzte Änderung: 9 Jahre 8 Monate her von Rosenbaum.

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9 Jahre 8 Monate her #10018 von Redaktion
Passend zum Thema und der Schuld-Debatte, ein Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom 22.8.2014: Michael Müller antwortet mit Hermann Hesse...

Schweigen über deutsche Schuld
Von Michael Müller

Allein in den ersten drei Monaten kam es in Belgien zu 5500 Hinrichtungen und willkürlichen Zerstörungen ganzer Ortschaften [...]
..das Trauerjahr 2014 droht zum Trauerspiel zu werden.
[...]

Vertrauensschaden droht
Das Gedenken ist auch deshalb Regierungspflicht, weil hierzulande wieder eine Kriegsschulddebatte aufgekommen ist, dessen marodierender Hauptstrom ein revisionistisches Geschichtsverständnis ist, das eine katastrophale Wirkung entfalten kann. Wenn diese Relativierung der deutsche Beitrag zum Gedenkjahr wird, droht beträchtlicher Vertrauensschaden
[...]

Es geht nicht um Schuldsehnsüchte. Natürlich waren damals viele Staaten Europas imperialistisch. Auch gibt es die Schuld einer Nichtverhinderung des Krieges. Aber das ändert nichts daran, dass es in Berlin eine kleine Gruppe aus Adel und Militär gab, die „auf den Knopf gedrückt hat“ (Gerd Krumeich). Sie wollte den Krieg „besser jetzt als später“, wie Wilhelm II forderte. Zu dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Belgien heißt es in der „Welt“: „In den englischen und französischen Kriegsstrategien war Belgien ebenso wenig tabu gewesen.“

Was für eine irrwitzige These: Hätten wir die Dame nicht vergewaltigt, wären andere über sie hergefallen. Hermann Hesse hat im „Steppenwolf“ die passende Antwort gegeben: “... natürlich sind sie selber vollkommen unschuldig: Der Kaiser, die Generäle, die Großindustriellen, die Politiker, die Zeitungen, niemand hat irgendeine Schuld! Nur liegen ein Dutzend Millionen totgeschlagener Menschen in der Erde.“


www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-schweigen-ueber-deutsche-schuld,1472602,28197768.html

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9 Jahre 8 Monate her #10029 von klartext
Ich möchte hier auf einen sehr guten Artikel
""Pfarrer u. dessen Schwester aufgehängt. Häuser abgebrannt." - Belgien im August 1914"
auf Braunschweig-Spiegel zum besonderen Umgang deutscher Truppen mit belgischen Priestern hinweisen.

Da wurde u.a. ein deutsches Regierungsdokument von 1915
verlinkt, welches die Ermordung von 47 Priestern auflistet:


Quellentext auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung - nicht direkt
verlinkbar. ( www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ersterweltkrieg ).

Der General-Gouverneur
in Belgien Brüssel, den 28. Februar 1915
Sektion IIb Nr. 3841
Urschriftlich mit Anlagen dem Generalquartiersmeister West zurückgereicht.

Die für den Bereich des Generalgouvernements abgeschlossenen Ermittlungen haben
folgendes ergeben:
A. 1. Im Bistum Namur sind 26 Priester getötet worden, 25 erschossen, 1 gehängt.
2. Im Bistum Lüttich sind 6 Priester erschossen.
3. Im Bistum Mecheln sind 13 Priester erschossen.
4. Im Bistum Tournai sind 2 Priester erschossen.
Die bischöflichen Behörden behaupten, daß alle unschuldig getötet seien.
Auskunft über die Gründe der Erschießungen würden nur die beteiligten Truppen geben können, welche indessen bis jetzt nicht ermittel sind.

Bezüglich des Berichts der Königlichen Preußischen Gesandtschaft in Rom ist folgendes festzustellen:

1. Bei der Zerstörung Löwens flüchtete ein großer Teil der Bevölkerung, darunter auch ein Trupp von mindestens 70 Geistlichen, nach Brüssel zu. Bei Tervueren wurden die Geistlichen von deutschen Truppen festgehalten, mußten dann nach Brüssel marschieren und sollten auf dem Weitermarsch der Truppen durch die einzelnen Dörfer als Geiseln dienen. Auf Verwendung des päpstlichen Nuntius beim Gouverneur v. Lüttwitz wurden die Geistlichen jedoch freigelassen. Ob Spanier und Amerikaner darunter waren, ist nicht festgestellt. Nur der Jesuitennovize Dupierreux wurde in der Nähe von Tervueren erschossen, weil er verdächtige Notizen über die Vorgänge in Löwen bei sich trug.

2. Die Pfarrer von Vueken und Gelrode sind erschossen.

3. Der Parrer von Schaffen hat am 25. Januar erklärt, er selber habe niemandem von auswärts irgendwelche Mitteilungen über seine persönlichen Erlebnisse im August gemacht. Zur Sache erzählt der Pfarrer, welcher einen vertrauenswürdigen Eindruck macht: Am 18. August seien die ersten deutschen Truppen eingezogen.
Am selben Morgen sei eine Radfahrerpatrouille der in Diest im Standort liegenden Karabiniers in den Ort gekommen, und diese habe die deutschen Spitzenreiter niedergeschossen. Beim Einrücken deutscher Abteilungen sei die Patrouille schleunigst abgefahren.
Die Deutschen hätten ihre toten Kameraden gefunden, sie seien des Glaubens gewesen, diese seien von der Dorfbevölkerung erschossen worden, und hätten daraufhin, wohl zweifellos in guten Glauben, an dem Dorf ein Strafgericht vollzogen.
Ihn selbst, den Pfarrer, hätten sie in seinem Garten gefunden und ihm vorgeworfen, es sei vom Kirchturm aus geschossen worden.
Er habe sogleich erklärt, das sei unmöglich, denn die Kirche sei – gegen die sonstige Gewohnheit - von ihm selbst wegen der Unruhe der Zeit abgeschlossen worden; man möge sich davon überzeugen. Trotzdem habe man ihn festgenommen und von morgens neun bis abends sieben Uhr festgehalten. Dabei sei er von den deutschen Soldaten recht erheblich mißhandelt worden. Man habe ihn mit vielen anderen, nachdem das Dorf in Flammen gesetzt worden sei, auf eine benachbarte Höhe geführt und dort gezwungen, das Schauspiel des niederbrennenden Dorfes mit anzusehen.
In dem Dorfe selbst hätten die Soldaten alles in Brand gesteckt und 23 Personen, darunter auch einige Frauen, erschossen.
Abends um 7 Uhr habe dann der Führer der deutschen Truppen – deren Regimentsnummer er nicht kenne – ihn freigelassen mit den Worten: „Sie sind ein braver Mann!“ Er sei dann fortgegangen, und dabei sei er von den deutschen Kanonieren mit ihren Kantschus durchgeprügelt worden.
Als er einige Schritte von den Truppen entfernt gewesen sei, hätten ihm Schüsse um die Ohren gepfiffen; daraufhin sei er ohnmächtig geworden, nicht aber habe er er sich selbst zum Schein hingeworfen und könne das auch niemandem erzählt haben.
Er verzeihe aber seinen Peinigern, da er den Eindruck habe, daß sie unter dem Zwang eines verhängnisvollen Irrtums gehandelt hätten.
Der Pfarrer von Spontin ist nach eidlichen belgischen Zeugenaussagen sehr übel behandelt worden. Er wurde aus dem Pfarrhause nach einer Wiese beim Bahnhof
weggeführt. Unterwegs erhielt er einen Kolbenstoß unter das Kinn, so daß er aus dem Munde blutete, dann drei Bajonettstiche in den Hals. Dann wurde er an Ort und Stelle an Händen und Füßen gebunden, an den Haaren in die Höhe gehoben und schließlich erschossen.

Der Generalgouverneur:
Freiherr von Bissing

Aus: Ernst Johann, Innenansicht eines Krieges. Bilder, Briefe, Dokumente 1914–1918, S. 104-106.


Dieses Dokument zeigt doch erstens, dass die Exekution des Pfarrers aus Roselies durch Braunschweigische Regimenter kein Einzelfall war. Die Militärführung benutzte demnach die angesehenen Priester als Geiseln, ihre Tötung diente zur besonderen Abschreckung der Bevölkerung.
Nun kommen Sie, Herr Jünke in Braunschweig-Lindenberg im hundertsten Jahr der Exekution Ihres Berufskollegen von Roselies.

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