Große Baustelle, gute Geschäfte?
Wer profitiert wirklich vom Milliarden-Bau "Stuttgart21"?
(Von Ingo Blank)
... Wenn aber gerade die größten Bahn-Anhänger keine Vorteile in S21 sehen, wem nutzt das Projekt dann? Vielleicht kommt man der Antwort näher, wenn man weiß, dass drei der letzten vier Bahnchefs vorher Manager beim Daimler-Konzern waren. Rüdiger Grube, Hartmut Mehdorn und Heinz Dürr haben das Projekt vehement vorangetrieben.
Geht es in Wirklichkeit um Immobiliengeschäfte?
In Stuttgart scheint im Zeichen des Sterns manches möglich, was anderswo längst verworfen wurde. Denn von den ursprünglich geplanten Tiefbahnhöfen in Deutschland ist nur noch Stuttgart übrig geblieben.
Die Idee, alles unter die Erde zu verlegen, wird Heinz Dürr zugeschrieben. Die Bahngrundstücke mitten in der Stadt – eine potenzielle Goldgrube für Investoren.
Gangolf Stocker ist der Gründer der Bürgerinitiative „Leben in Stuttgart - Kein Stuttgart 21“. Der Stadtrat ist ebenfalls überzeugt, dass es bei dem Projekt nicht um eine bessere Bahn geht, sondern um Immobiliengeschäfte und am Ende um mehr Autoverkehr. Denn wenn der Bahnhof und die Gleise verschwinden, wird aus dem frei werdenden Gelände ein riesiger Baugrund in bester Lage.
Eigentlich ist S21 ein Immobilienprojekt. Die Schienen müssen oben weg, damit man die Gründstücke verkaufen kann. Die großen Baukonzerne werden an diesem Projekt verdienen, die Banken werden an diesem Projekt verdienen und Investoren werden an diesem Projekt verdienen. Die Kosten aber, für die dafür notwendige Tieferlegung der Gleise und des Bahnhofs, tragen die Steuerzahler.
Und die Kosten werden weiter steigen...
Ein Bürger...
„Ich befürchte, dass praktisch nur Abschreibungsobjekte entstehen, die für Großbetriebe wie Versicherungen, Banken und Autofirmen sozusagen zweckdienlich zur Steuer- oder Kostenabschreibung sind, während die Stadt dann Steuereinnahmen vermissen wird.“
Mit ECE steht der Großinvestor schon fest
Ein Großinvestor steht auf jeden Fall schon fest: ECE. Der Marktführer für innerstädtische Shopping-Center will mit Partnern ein gigantisches Einkaufszentrum errichten. Eine Verkaufsfläche mit 43.000 qm und über 1600 Parkplätzen möchte ECE mit Partnern am Mailänder Platz in Stuttgart errichten. ECE expandiert seit Jahren in ganz Deutschland. Die riesigen Center führen fast überall zu deutlichen Einbußen beim eingesessenen Einzelhandel.
Der Architekt und Stadtplaner Holger Pump-Uhlmann befasst sich seit Jahren mit dem Thema und wurde wegen seiner kritischen Äußerungen auch schon von ECE verklagt. Der Experte sagt: „Das Center selbst wird große Teile des Umsatzes aus der Innenstadt Stuttgarts in sich aufsaugen. Gleichzeitig wird der Verkehr massiv ansteigen. Das ist von den Entwicklern natürlich auch gewollt. Insbesondere der Individualverkehr. Deshalb gibt es große Parkplätze auf diesen Centern. Denn die Kofferräume der Autos sind die größten Einkaufstaschen. Das ist die Ideologie die dahinter steckt.“
Dabei sind die Straßen im Stuttgarter Kessel schon heute stark überlastet und die Feinstaubwerte die höchsten der Republik.
Doch statt den Verkehr einzuschränken wird nach den aktuellen Plänen künftig noch mehr Verkehr in die Innenstadt gezogen und mit der Bebauung des Gleisvorfeldes eine für das Stuttgarter Klima wichtige Luftschneise bebaut.
Stuttgarter Oberbürgermeister steht zu Investor
Trotzdem wird der Stuttgarter Oberbürgermeister die vom Investor ECE gewünschte Zahl an zusätzlichen Parkplätzen in der Innenstadt genehmigen. Er hat sich damit gegen den Willen des Stadtrats auf die Seite des Investors geschlagen.
Die Parteinahme für die Investoren sei kein Zufall, sagen Kritiker. ECE habe über Jahre ein feines System entwickelt, um Politiker und Honoratioren für sich zu gewinnen. Eine wichtige Funktion habe dabei die von ECE gegründete Stiftung mit dem Namen „Lebendige Stadt“.
Und siehe da: Christoph Ingenhoven ist dabei, der Architekt von Stuttgart 21. Und Dr. Wolfgang Schuster, der Oberbürgermeister von Stuttgart. Der trat allerdings aus, als das zu einem öffentlichen Thema wurde. Genau wie Tanja Gönner, die Verkehrs- und Umweltministerin von Baden-Württemberg. Immer noch im Vorstand ist Friederike Beyer, die neue Lebensgefährtin des Ex-Ministerpräsidenten und jetzigen EU-Kommissars Günther Oettinger.
Alle Beteiligten weisen jeden Filz-Vorwurf von sich und die Stiftung „Lebendige Stadt“ schreibt, dass sie in keiner Weise etwas mit dem Projekt Stuttgart 21 zu tun habe.
Kritiker sprechen von Lobbyverein und Filz
Zum Schaden von ECE werden die pompösen Events und Treffen der Stiftung aber wohl auch nicht sein, meinen Kritiker.
„Für mich ist die Stiftung nichts weiter als ein Lobbyverein, der darauf zielt, ein Netzwerk zu knüpfen zu hochrangigen Politikern auf Kommunal- und auf Landesebene sowie zu Vertretern der Finanzwirtschaft und der Immobilienwirtschaft. Dies zum Zwecke der besseren Durchführbarkeit von groß angelegten Einkaufscentern in den bundesdeutschen Innenstädten“, fasst Holger Pump-Uhlmann seine Erfahrungen zusammen.
Die Befürworter werden sich tatsächlich noch anstrengen müssen, wenn sie das widerspenstige Volk noch davon überzeugen wollen, dass die Milliarden auch zu seinem Besten ausgegeben werden.
Wir haben natürlich auch die Befürworter von Stuttgart 21 um ein Interview gebeten. Aber weder die Stadt noch ECE oder die Stiftung „Lebendige Stadt“ wollten vor die Kamera.
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Der unheilbare Mangel
Den Gegnern des Bahnprojekts Stuttgart 21 wird vorgeworfen, sie hätten ausreichend Gelegenheit zum Mitreden gehabt. Doch von wegen. Ein Blick in die Archive zeigt: Diese Unterstellung ist schlicht falsch. Ein längst überfälliger Rückblick.
Selbst Heiner Geißler sieht seinen Schlichtungsversuch nicht als Ersatz für eine versäumte Volksbeteiligung. Die hat nie stattgefunden, weder als Volksentscheid noch als Volksbefragung. Obwohl er in seiner vermittelnden Rolle die Worte hüten muss, prangert er an, dass "staatliche Entscheidungen bei solch gravierenden Projekten ohne Einbindung der Bürger dem vorherigen Jahrhundert angehören ...
www.sueddeutsche.de/politik/umstrittenes-bahnprojekt-stuttgart-und-der-unheilbare-mangel-1.1013415
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[url=Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33536/1.html]Quelle[/url]Wir geben keine Empfehlungen in Sachen Verkehrspolitik oder Städtebau, sonder konzentrieren uns auf demokratische Prozesse und Strukturen hinter den Kulissen. Und aus demokratischer Sicht stellt die Bürgerbewegung in Stuttgart auf jeden Fall eine spannende Entwicklung dar. Einige hoffen auf die Vermittlung von Heiner Geißler bzw. warten auf die nächste Landtagswahl, andere wollen jetzt mit dem Bürgerentscheid einen neuen Anlauf nehmen.
Ich bin gespannt, wie das ausgeht, bin mir aber auch nicht sicher, ob die Protestbewegung tatsächlich gegen dieses Medienmonopol der Südwestdeutschen Medienholding - als einziges Medienkorrektiv gibt es nur noch den Südwestdeutschen Rundfunk - bestehen kann. Auf der anderen Seite liegt die besondere Brisanz von Stuttgart 21 darin, dass sich Menschen aus anderen Städten solidarisch erklären, weil sie vor ähnlichen Problemen in ihrer Stadt stehen.
Ich denke da an die Bewegung "Recht auf Stadt" in Hamburg oder Widerstand gegen die Gentrifizierung in den Berliner Bezirken Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. In meinem Viertel Köln-Ehrenfeld gibt es massive Konflikte um das Helios-Gelände. Ich denke, die Menschen sehen da klare Bezüge zwischen ihrer Situation und dem, was die Stuttgarter da auf die Beine stellen. So etwas könnte mit Lobbypedia zusammengeführt werden. Es wäre ohne weiteres möglich, eigene Abteilungen zu anderen innerstädtischen Bauvorhaben und den Lobbyverstrickungen hinter den Kulissen aufzubauen.
Die Leute, die wir bei unserem Schreib-Workshop kennen gelernt haben, haben gesagt: Selbst wenn das Projekt tatsächlich umgesetzt wird, der Widerstand dagegen wäre trotzdem wichtig gewesen und sinnvoll, damit die Leute wenigstens wissen, auf was sie sich mit S 21 eingelassen haben. Damit nachher niemand sagen kann, er hätte nichts von Risiken und Nebenwirkungen gewusst. Vielleicht ist ja Stuttgart 21 auch der Startschuss für eine neue Art von Politik, die den Parteien und dem Lobbyismus kritisch gegenübersteht und eine neue Form von Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement hervorbringt.
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www.sueddeutsche.de/politik/cdu-parteitag-in-karlsruhe-merkels-dritte-wiedergeburt-1.1023707Wer die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert, ohne die elementaren Sorgen der Menschen bei den Castortransporten ernst zu nehmen, der versteht nicht, dass die Mehrheit von Sehnsüchten und Ängsten getrieben wird, nicht nur von nackten ökonomischen Daten. Wer für Stuttgart 21 kämpft, ohne darauf einzugehen, dass in sozial schwierigen Zeiten Milliardenprojekte besonders gut und immer wieder neu begründet werden müssen, hat nicht begriffen, dass derlei heute vor allem machtbesoffen daherkommt. Genau deshalb kann die stabilste Landesregierung stürzen, wenn 100 Jahre alte Bäume in einem Schlossgarten gefällt werden...
Merkel müsste sich nur bewusst machen, dass ihre Partei zwar viel über die Bewahrung der Schöpfung redet, dabei aber fundamental verdrängt, dass damit weit mehr gemeint sein müsste als die Präimplantationsdiagnostik.
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