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Unverwelfter Strahlenfranz

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #7090 von Rosenbaum
** This thread discusses the content article: Unverwelfter Strahlenfranz **



Anläßlich der offiziellen Schenkungs-Übergabe der Quadriga an die Stadt am 27.10.2008 freute sich OB Hoffmann über Vergangenes und offenbarte seine Zukunftsvision für die Stadt:

"Braunschweig wird unter diesem Zeichen eine weitere große Zukunft haben"
(nachzuhören hier auf you-tube-Filmmitschnitt )

Nun sind wir drei-einhalb Jahre weiter und die Zukunft scheint mit der Vorbereitung einer 100-Jahr Feier der Hochzeit der Kaisertochter unmittelbar vor der Tür zu stehen.

Wenn nicht der Umgang mit dem Alt-Gedienten so manche Tücke hätte...
...und so trug schon damals ein Festredner im Rahmen dieser Feierstunde mit viel Pathos ein altes Schloss-Gedicht vor, welches der Schenker Borek zusammen mit der Quadriga auch der Stadt überlassen hat.

Bis zum heutigen Tage befindet sich dieses Gedicht in der vorgetragenen Form immer noch auf der Homepage der Stadt - Schlossgedicht

Was es mit den kryptischen Zeilen auf sich hat, entschlüsselt der nachfolgende Beitrag von Matthias Witte, welcher mit freundlicher Genehmigung vom Braunschweig-Spiegel.de  in die neue Ausgabe der BI-Zeitung "Unser-Braunschweig" übernommen worden ist :

"Unverwelfter Strahlenfranz"

Geschrieben von: Matthias Witte - Donnerstag, den 03. September 2009


Die rätselhaften Sprachschöpfungen des Braunschweiger Schloss-Dichters U.B. und eine verblüffende Interpretation derselben.

Auf der Internetseite der Stadtverwaltung gibt es zum unerschöpflichen Thema ‚Schloss’ und ‚Quadriga’ labyrinthische Pfade, die auch von Eingeweihten nur selten begangen werden. Das ist schade, denn manchmal finden sich am Ende solcher Wege wahre Kleinode. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das Gedicht „Herzögliches Schloss zu Braunschweig. Zerstörung durch Brand“, das sich ganz unten im Pressematerial zur Quadrigaaufbringung findet. Dieses vergessene Gedicht, von einem gewissen U.B., offenbar unter dem unmittelbaren Eindruck des katastrophalen Brandes von 1865 geschrieben, wurde - so ist dort zu lesen - von Richard Borek der Stadt überlassen.


Vorgestellt seien zunächst die ersten zwei Strophen dieses Gedichtes. Bitte lesen Sie sorgfältig, am besten laut, Wort für Wort, ja Buchstabe für Buchstabe - Lyrik will nicht überflogen werden - und versuchen Sie des Dichters Gedanken nachzuvollziehen (Ich habe die Stellen, an denen das schwierig werden könnte, hervorgehobenen):



Es stand ein Schloss zu Braunschweig, der alten Welfenstadt,
Das nimmer seines Gleichen Deutschen Landen hat.
Richt Riesentürme drohen fein, Festungswall erschredt,
Ein Landhaus möchte es heißen, im grünen Bars versteckt.

Das Aug’ des Wandrers blendet nicht, Schluck noch eitle Bier,
Richt leere Schnörseleien umdüstern Tor und Tür,
Einfach, doch Stolz und Edel es sich im Bau erweist,
So einfach, Stolz und Edel, wie seines herrliches Geist.
 


Richte Riesentürme, grüne Bars und Schnörseleien, ..... Eine Welt voll unerhörter Gegenstände. Ein Eindruck, der sich durch kryptische und grammatisch nicht mehr fassbare Einsprengsel ("Schluck noch eitle Bier" und "wie seines herrliches Geist") noch steigert.

Was soll das?



Eine erste Idee: Dichter sind sensible Wesen. Hölderlin redete aus Liebeskummer zunehmend wirres Zeug. Warum sollte U.B. (Anmerkung der Redaktion: Das Kürzel des Dichters, nicht Unser-BS!) nicht ein gleiches Schicksal ereilt haben? Den Verstand verloren aus Gram über den Schlossbrand, oder zumindest in den Alkohol geflüchtet? Der Ausdruck ‚Schluck noch eitle Bier’ ließe sich so doch schon mal bestens erklären.


Eine zweite Idee: 1865? Das war ja geradezu noch Mittelalter; das Mittelhochdeutsche war damals vielleicht noch keine ferne Erinnerung, wer weiß….

Aber das sind - zugegeben - nichts als hilflose Deuteleien.
Vielleicht hilft ein Blick auf die 5. Strophe weiter, in der U.B. die Quadriga besingt:


Es hat in Erz getrieben sie Howald meisterlich,
Und Rietschel sie geformet, so; hehe und minniglich,
Um deren Namen leuchtet ein heller Strahlenfranz,
in unverwelftem Schimmer und nie gebleichtem Glanz.

So, so, es hat Rietschel die Quadriga also geformet, so; hehe …. Und um des Künstlers unverwelft schimmernden Namen leuchtet ein Strahlenfranz!

Will sich dieser U.B. lustig machen über uns (hehe), oder ist er schizophren? Hört er Stimmen, vielleicht die des Strahlen-Franzes? Ist U.B. ein Pionier des Dadaismus? Oder ist er am Ende nur ein gnadenlos dummer Dilettant?


Wohl nichts von alledem. Anders als es in der durchgängig mehr oder minder eigenartigen Wiedergabe der Braunschweiger Stadtverwaltung scheinen mag, hat U.B. wahrscheinlich ein bieder-braves Gedicht geschrieben, das in seinen 17 Strophen sämtlichen Regeln der Logik und der Grammatik des heutigen Hochdeutschen gehorcht.


Wie ist das möglich? Ganz einfach: Das Gedicht von U.B. erscheint in der Fassung der Verwaltung in einer serifenlosen Schrift. Diese war 1865 nicht gebräuchlich. Also darf man annehmen, dass die Verwaltung das vermutlich in Fraktur stehende Original transskribiert hat. Bei solchen Übersetzungen kann der Ungeübte leicht Fehler machen: z.B. ein Fraktur-Z oder -P für ein ‚B’ lesen, ein Fraktur-k für ein ‚s’ und ein Fraktur-s für ein ‚f’ oder ‚l’ etc. Unter der Annahme, dass die Braunschweiger Verwaltung eben alle diese Fehler gemacht hat, lässt sich das ursprüngliche Gedicht von U.B. leicht rekonstruieren. Es lautet dann in den drei vorgestellten Strophen wie folgt:

Braunschweiger Verwaltungstranskription /
vermutliche Originalfassung
(Hervorhebungen = Abweichungen)


1. Es stand ein Schloss zu Braunschweig, der alten Welfenstadt,
Das nimmer seines Gleichen Deutschen Landen hat.
Richt Riesentürme drohen fein, Festungswall erschredt,
Ein Landhaus möchte es heißen, im grünen Bars versteckt.

1. Es stand ein Schloss zu Braunschweig, der alten Welfenstadt,
Das nimmer seines Gleichen in Deutschen Landen hat.
Nicht Riesentürme drohen, kein Festungswall erschreckt,
Ein Landhaus möcht es heißen, im grünen Park versteckt.



2. Das Aug’ des Wandrers blendet nicht, Schluck noch eitle Bier,
Richt leere Schnörseleien umdüstern Tor und Tür,
Einfach, doch Stolz und Edel es sich im Bau erweist,
So einfach, Stolz und Edel, wie seines herrliches Geist.

2. Das Aug’ des Wandrers blendet nicht Schmuck noch eitle Zier,
Nicht leere Schnörkeleien umdüstern Tor und Tür,
Einfach, doch stolz und edel es sich im Bau erweist,
So einfach, stolz und edel wie seines Herrschers Geist.



5. Es hat in Erz getrieben sie Howald meisterlich,
Und Rietschel sie geformet, so; hehe und minniglich,
Um deren Namen leuchtet ein heller Strahlenfranz,
in unverwelftem Schimmer und nie gebleichtem Glanz.

5. Es hat in Erz getrieben sie Howald meisterlich,
Und Rietschel sie geformet so hehr und minniglich,
Um deren Namen leuchtet ein heller Strahlenkranz,
in unverwelktem Schimmer und nie gebleichtem Glanz.




Die Transkription der Verwaltung wurde nun nicht etwa nur für die Schublade erstellt. Vielmehr diente sie offensichtlich - nur leicht modifiziert - als Grundlage für den Vortrag dieses Gedichtes anlässlich der feierlichen Quadriga-Einweihung am 27.10.2008. Und so trug ein Festredner vor den Honoratioren der Stadt mit viel Pathos so einigen unverständlichen Blödsinn vor, den im einzelnen aufzudröseln ich dem Leser überlasse. Den Zuhörern gefiel es trotzdem, was nicht weiter Wunder nimmt: wer sich die Karikatur des Ottmer-Schlosses mit seinen grotesken schlossähnlichen Inneneinrichtungen als kulturelle Glanztat verkaufen lässt, wird auch bei einem bis zur Karikatur entstellten Gedicht nicht allzu kritisch sein, wenn es nur mit dem entsprechenden hoheitlichen Gestus vorgetragen wird. Und so brandete ungeteilter Beifall auf, als der Redner endlich hochpathetisch mit den Worten schloss:

Reu schafft des Künstlers Mühe uns die Brunonia,
Reu steht im alten Glanze die Burg der Welfen da.

Ja, ja: das Fraktur-N hat es in sich. Aber Fehler sind ja dazu da, dass man aus ihnen lernt. In diesem Sinne:

Auf ein Reues!

www.braunschweig-spiegel.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1282:unverwelfter-strahlen-franzq&catid=64:politik-kategorie-politik-allgemein&Itemid=150

Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Rosenbaum.

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13 Jahre 7 Monate her #7095 von Rosenbaum
Auch der seinerzeitige Beitrag von Reinhard Hoffer besticht in dem Zusammenhang wegen seiner Aktualität:

hoffer.wordpress.com/2009/09/04/das-kann-so-nicht-stehen-bleiben/

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #7147 von Rosenbaum
Sind denn die Sozialdemokraten von allem historischen Wissen und demokratischen Geistern verlassen?

Erst tat die SPD-Ratsfraktion so, als gäbe es grundsätzliche Widersprüche zur welfisch-untertänigen Jubelfeier. Dann zog man kurz vor der Ratssitzung den Sperrvermerk für das Millionen(Kosten)Projekt zurück.

Auslöser für das sozialdemokratische Einknicken vor fürstlichem Glanz war das jetzt vorliegende Konzept für das "Kulturprojekt", welches zu einer "Sensation" werden soll.

Sensationell dann auch die im Konzept genannte Filmreihe mit Filmen wie "Adel verpflichtet" oder - steht wirklich so drin - die "Sissi - Trilogie".

Siehe dazu den Bericht über diesen Punkt der Ratssitzung vom 28.2.2011 (unter TOP 21)
www.bibs-fraktion.de/index.php?id=312
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Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Rosenbaum.

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #7148 von Sonnenschein
@ Rosenbaum, zu letzten Kommentar
Das verstehe ich nicht ganz?
Werden jetzt Millionen für ein Adels- Retro- Projekt ausgegeben?

Dann war die SPD das "Zünglein an der Waage des Rates" und durch Ihr "einknicken", bekommen wir staubiges von Vorgestern?

Und mit Sissy Filmen bekommt man mitlerweile, selbst meine Mutter nicht mehr vor den Fernseher. Ich glaube selbst Ihr als Sissy Fan war die 30. Wiederholung, dann doch mal zu viel!

Siehe dazu auch: braunschweig-online.com/bibs-forum/48-artikel-der-startseite/7031-traditionspflege-mit-herzoglichem-feldkorps.html
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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #7149 von Sonnenschein
Es kann nicht war sein!
Ich will eine Bürgerbefragung!!!
Und wenn dann raus kommt, das die BürgerInnen Ihr "Sissy" Jahr wollen- so soll es sein. Aber erstmal finde ich es schockierend!
Wie wäre es denn, dieses Geld für die Spielplätze hier in Braunschweig auszugeben!
Etliche dienen immer noch als Katzen,- Hundeklo, auf dennen die Kinder ehrlich gesagt nicht spielen sollten!
Das wäre doch ein sinnvoller Einsatz für ne Millionen Euro!
@ Frau Dr.Hesse es gibt Kultur die Lebt und nicht erst Wiederbelebt werden muß!
Wie wäre es denn mit einer Kooperative mit der HBK?
Wir haben hier viele junge KünstlerInnen die schwungvolle und vielfältige Stilrichtungen vertreten.
Wie wäre es mit einer Ausschreibung, nach den Motto: junge KünstlerIn des Jahres!

"...Dann wolle die BIBS-Fraktion auch nicht die Feierlichkeiten für Viktoria-Luise. Dieses "Konzept" sei ja wirklich "ein Ding", so Rosenbaum anKulturdezernentin Frau Dr. Hesse gerichtet. Wenn das die SPD überzeuge, dann wisse er nicht mehr weiter - diese habe ja bereits die Aufhebung des Sperrvermerks angekündigt, nachdem dieses so genannte "Konzept" vorgelegt wurde. Solche Feierlichkeiten seien überflüssig. Er ruft den Sozialdemokraten zu: "Machen sie so einen Scheiß nicht mit!"
Eine inhaltliche Beurteilung solle man doch lieber den Historikern überlassen, meint Andrea Stahl (Grüne) in Richtung Peter Rosenbaum und betont, dass man über die Planungen erst Genaueres erfahren habe durch diverse Nachfragen. Hier hätte sich die Grünen-Ratsfrau etwas mehr Transparenz gewünscht. Zudem fehlen ihr noch genauere Angaben insbesondere zur geplanten Ausstellung. Als Grüne müsse sie ja fast schon jubeln, wenn hier einer Frau gedacht werden soll, bemerkt sie suffisant.

Es sei ein "Armutszeugnis", was hier von der Verwaltung in puncto Haushalt vorgelegt wurde, meint im Anschluss Gisela Ohnesorge für die Linksfraktion. Die neue Mehrheit im Rat mache nun möglich, was zehn Jahre lang nicht möglich gewesen sei: nämlich eine sachliche Diskussion. Vorher sei von CDU/FDP stur alles niedergestimmt worden. Sie zeigt sich zufrieden mit der Befreiung der ersten fünf Entgeltstufen von den Kinderbetreuungsbeiträgen, betont aber, dass man seitens der Linken die Entgeltfreiheit für Alle wolle. Auch die Linke wolle so viel Geld für ein "Fürsten-Event" nicht ausgeben.
Kulturdezernentin Frau Dr. Hesse fühle sich geradezu "freigesprochen" von Herrn Rosenbaum, da er ihr nicht "Hipp, Hipp, Hurra-Rufe" zutraue - bemerkt sie. Sie macht deutlich, dass man die Hoffnung habe, die Medien mit dieser Feierlichkeit zu erreichen. Die Feierlichkeit sei mehr als ein "Fürsten-Event". Man sei dem Wunsch ja nachgekommen, aufzuzeigen, was man vorhabe. Als "infame Unterstellung" bezeichnet sie die reine Fokussierung auf das traditionelle, angebliche rückwärtsgewandte Element dieser geplanten Veranstaltung. Man habe viel mehr im Konzept dargelegt...

aus: Punkt der Ratssitzung vom 28.2.2011 (unter TOP 21)
www.bibs-fraktion.de/index.php?id=312

Siehe dazu auch: braunschweig-online.com/bibs-forum/48-artikel-der-startseite/7031-traditionspflege-mit-herzoglichem-feldkorps.html [/size]

@ Rosenbaum wie sieht denn eigentlich, das besagte Konzept aus, um das es sich hier die gesamte Zeit dreht? Jetzt würde ich doch gerne mal mir selbst ein Bild machen wollen!
Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Sonnenschein.

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13 Jahre 7 Monate her - 13 Jahre 7 Monate her #7156 von Rosenbaum
Sonnenschein schrieb:

wie sieht denn eigentlich, das besagte Konzept aus, um das es sich hier die gesamte Zeit dreht? Jetzt würde ich doch gerne mal mir selbst ein Bild machen wollen!


Das "Konzept" trägt die Drucksachen Nr. 12247/12 als Mitteilung im Ratsinformationssystem. Ich versuche hier mal zu verlinken:
....
....
ja, leider nicht möglich, da als "nichtöffentlich" deklariert und im Ratsinfosystem deshalb nicht eingestellt...

Das Konzept-Papier war oder ist wohl doch allen Verantwortlichen zu peinlich !

Wir werden das also einscannen und in Kürze in diesem Thread dann als pdf veröffentlichen
Letzte Änderung: 13 Jahre 7 Monate her von Rosenbaum.

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